Konvektion

Der meteorologische Begriff der Konvektion beschreibt typischerweise den vertikalen Transport von Wärme (und Feuchte) von einer wärmeren bodennäheren Schicht zu einer kälteren Höhenschicht durch die Hebung von warmer (feuchter) Luft. Bildet sich Konvektion nur durch solche Auftriebskräfte, spricht man von „freier" Konvektion. Ein Beispiel dafür sind die wohlbekannten nachmittäglichen Gewitter an heißen Sommertagen. Die starke Sonneneinstrahlung wärmt den Erdboden je nach seiner Beschaffenheit und Ausrichtung zur Sonne unterschiedlich schnell auf. Die warme Oberfläche erwärmt dann ihrerseits die darüber liegende Luftschicht, die sukzessive an Dichte verliert und damit leichter wird. Wird sie wegen der unterschiedlichen Oberflächenbeschaffenheit leichter als die umgebende Luft, beginnen einzelne Luftpakete aufzusteigen. Ist der Antrieb stark genug, kann sich daraus ein Aufwindkanal und in weiterer Folge eine konvektive Zelle bilden.

 

Konvektion wird nicht immer durch die Bildung von Wolken sichtbar. Starke Konvektion [1] aber, wie sie Gegenstand der Untersuchungen ist, wird (unter anderem) durch Kondensationsprozesse und damit Wolkenbildung charakterisiert. Aus diesem Grund wird solche starke Konvektion auch hochreichende Feuchtekonvektion [1] genannt. Stark konvektive Ereignisse sind von speziellem Interesse, da die auftretenden intensiven Regenschauer, Blitzschlag, Hagel, starke Fallwinde und sogar Tornados schwere Unwetterschäden verursachen können und damit eine ernste Bedrohung für Mensch, Natur und Wirtschaft darstellen. Essentiell für die Bildung dieser stark konvektiven Zellen ist warme, feucht-labile Luft, die zu einer Aufwärtsbewegung getrieben wird, entweder durch freie oder erzwungene Konvektion. Letztere wird verursacht durch dynamische Konvergenzlinien [2] , orographische Hebung oder Frontensysteme. Eingebettet in die atmosphärische Strömung bilden konvektive Zellen eine eigene, ausgeprägte Dynamik, die sich hauptsächlich um einen Aufwindkanal zentriert. Die individuelle Entwicklung jeder konvektiven Zelle wird aber stark durch die Beschaffenheit der Umgebung, der Atmosphäre und die topographischen Gegebenheiten beeinflusst.

 

Durch Konvektion, auch starke Konvektion, bedingte Prozesse sind meist kleinräumige, kurzlebige Ereignisse mit Lebenszeiten von weniger als einer Stunde. Mit Fernerkundungsmethoden (Satelliten, Niederschlagsradar- und Blitzortung) können konvektive Prozesse zufriedenstellend beschrieben werden, da diese Daten zeitlich und räumlich in ausreichender Auflösung verfügbar sind. Allerdings sind sie noch nicht für jene 30 Jahre verfügbar, die die typische Zeitspanne für Klimastudien darstellt. Gegenwärtig werden Datenarchive aber nach und nach ausreichend erweitert, um einen Einblick in das allgemeine Erscheinungsbild von konvektiver Aktivität zu geben. Das zeigt sich auch in der wachsenden Zahl an einschlägiger Fachliteratur (unter anderem z.B. Kaltenboeck und Steinheimer, 2014; Rudolph und Friedrich, 2013; Nisi et al., 2013; Puskeiler et al., 2013; Goudenhoofdt und Delobbe, 2013; Davini et al., 2012; Meyer und Schaffhauser, 2012).

 

Die Erstellung einer Konvektionsklimatologie in einer so bergigen Region wie den Alpen stellt eine gewisse Herausforderung dar, da die wichtigste Datenquelle für ein flächendeckendes Monitoring von konvektiver Aktivität, das Wetterradar, stark durch Strahlabschattung beeinträchtigt ist. Obwohl einige Radare auf Berghöhen und Gipfeln errichtet sind, ist die Sicht in die unteren Schichten der Atmosphäre aufgrund der Abschattung der Radarstrahlen durch die umliegenden Berge beeinträchtigt. In Gebieten, wo der Radarstrahl durch Berge blockiert bzw. abgeschattet wird, aber auch in Gebieten, die weiter vom Radar entfernt sind, wird Niederschlag aus tieferen Niveaus nicht vom Radar erfasst. Hochreichende, feuchte Konvektion hat aber in der Regel ein ausgeprägtes vertikales Wachstum, wodurch oft der obere Teil der konvektiven Zelle noch vom Radar erfasst werden kann, obwohl der untere Teil aufgrund von Strahlabschattung verdeckt ist. Blitzortung ist dagegen nicht von Abschattungseffekten betroffen. Aus diesem Grund eignen sich Blitzdaten besonders als ergänzende Informationsquelle, um das Konvektionsmonitoring in Regionen mit schlechter Radareinsicht aber auch bei gelegentlichen Radardatenausfällen zu unterstützen. Doch kein Vorteil ohne neue Herausforderung: Blitzentladungen sind nicht streng an Aufwindregionen gebunden. Sie können auch noch im Umfeld einer konvektiven Zelle auftreten, wodurch es schwieriger wird, die Konturen der Zelle allein mit Hilfe von Blitzdaten auszumachen und zu verfolgen. Durch die Kombination der Informationen aus beiden Datenquellen sollen die jeweiligen Vorteile genutzt und die Schwächen gemildert werden.

 

[1] Die englischen Fachbegriffe „severe convection" und „deep moist convection" sind u.a. in Doswell, 2001 beschrieben.

[2] Eine Konvergenzlinie beschreibt das Zusammenfließen (Konvergenz) von bodennaher Luft. Beim Zusammenfließen von Luftmassen werden diese zum Aufsteigen gezwungen, was bei ausreichender Feuchtigkeit mit Wolkenbildung und nachfolgend auch mit Niederschlagsbildung verbunden ist. Im Sommer werden entlang von Konvergenzlinien häufig Gewitter ausgelöst.

 

 

 

Datenbasis

Datenquellen

Zur Untersuchung von starker Konvektion im Zielgebiet wurden Radar- und Blitzdaten herangezogen. Die Radardaten stammen von drei unterschiedlichen C-Band Radarnetzwerken, dem österreichischen Komposit, dem Veneto Komposit und dem Bozener Radar. In einem Komposit werden die Informationen von mehreren Radarstationen auf eine gemeinsame Karte gebracht. Die Methoden zur Erstellung von Komposits können unterschiedlich sein. Die folgende Tabelle fasst die Radarnetzwerke (oder Radardomainen) zusammen:

 

Radarnetzwerk Radar Name Lon. (°E) Lat. (°N)
Österr. Komposit Rauchenwarth 16.536 48.074
  Feldkirchen 13.062 48.065
  Zirbitzkogel 14.560 47.072
  Patscherkofel 11.461 47.209
  Valluga 10.213 47.158
Veneto Komposit Teolo 11.674 45.363
  Concordia Sagittaria 12.787 45.695
Bozen Macaion 11.209 46.493

 

Die Blitzdaten für diese Untersuchung wurden von der „European Cooperation for Lightning Detection" (EUCLID) zur Verfügung gestellt. EUCLID ist ein Zusammenschluss nationaler Blitzortungsnetzwerke, mit dem Ziel einer europaweiten Blitzortung. Mehr Informationen über EUCLID sind auf www.euclid.org zu finden. Wir möchten EUCLID und hier insbesondere dem Austrian Lightning Detection and Information System (ALDIS) und dem Centro Sperimentale Italiano Elettrotecnico (CESI SIRF) für die Bereitstellung der Blitzdaten danken, durch die die Studie in dieser Form möglich gemacht wurde.

 

 

Untersuchungszeitraum

Der Analysezeitraum umfasst die Monate April bis Oktober der Jahre 2009 bis 2013. Die Periode April bis Oktober wird als konvektive Saison betrachtet, da der überwiegende Teil der konvektiven Aktivität während dieser Zeit auftritt. Daten vor 2009 wurden nicht mehr inkludiert, da es zu dieser Zeit keine Daten des nahe von St. Anton gelegenen Valluga Radars gibt. Da das Valluga Radar erheblich zur Radarsicht im Untersuchungsgebiet beiträgt, war die Verfügbarkeit der Valluga Daten ein entscheidender Faktor für die Wahl des Untersuchungszeitraums.

 

 

Beobachtung von starker Konvektion

Um auf den verschiedenen Datensätzen eine einheitliche Konvektionsbeobachtung aufzusetzen, wurde ein automatisiertes Verfahren verwendet. Das „Austrian Thunderstorm Nowcasting Tool" (A-TNT), kombiniert Informationen aus Radar- und Blitzdaten, um (feucht) konvektive Aktivität mittels der Erkennung von intensiven (konvektiven) Niederschlagsgebieten und Blitzaktivität zu erkennen und zu verfolgen (A-TNT baut auf der Methode von Meyer et al. 2013 auf). Durch die kombinierte Zellverfolgung wird die Beeinträchtigung der Radarsicht im alpinen Gelände abgeschwächt. Mit Hilfe der Blitzinformation kann zudem zwischen einem Gewitter und einer reinen konvektiven Niederschlagszelle unterschieden werden. Denn das Vorkommen von Blitzen in konvektiven Zellen gilt als allgemein gebräuchliche Definition für Gewitter [3]. Für jede Radardomain wurde so eine eigene Konvektionsdatenbank erstellt, die die Zellentwicklung in fünfminütiger Auflösung enthält. Die nachfolgende Tabelle fasst die Kriterien, die in A-TNT zur Erkennung von Radar- und Blitzzellen gesetzt wurden, zusammen. Eine Erläuterung der einzelnen Kriterien ist in Meyer et al. 2013 zu finden.

 

Zelltyp Netzwerk Zellerkennungskriterien
Blitzzelle EUCLID Akkumulationszeit: 6 min
Suchradius: 9 km
min. Blitzzahl: 1
Radarzelle Österr. Komposit
Veneto Komposit
Bozen

min. Intensität: 38 dBZ (ca. 9 mm/h)

min. Zellfläche: 5 km²

 

[3] Siehe AMS Glossary of Meteorology auf http://glossary.ametsoc.org/wiki/Thunderstorm oder die Definition des Deutschen Wetterdienstes auf http://www.deutscher-wetterdienst.de/lexikon/index.htm?ID=G&DAT=Gewitter.

 

 

 

Konvektionsklimatologie

Abschattungskarte

Obwohl besondere Sorgfalt aufgewandt wurde, um den Beeinträchtigungen von Radarmessungen in gebirgigem Gelände zu begegnen, ist es wichtig bei der Interpretation der Ergebnisse die lokal variierende Radarsicht zu berücksichtigen. Dazu wurde eine Abschattungskarte für das Untersuchungsgebiet berechnet, die die von allen drei Radarnetzwerken eingesehene minimale Höhe über Grund zeigt. Die Radareinstellungen werden von den Radarbetreibern vorgegeben und die topographische Information stammt vom SRTM-3 Datensatz, der in einer Auflösung von 3 Bogenminuten vorliegt (das sind zw. 60 und 90 m).

 

Zellselektion

Es wurden nur solche konvektive Zellen betrachtet, die eine minimale Lebensdauer von 30 Minuten aufweisen und während ihrer Lebenszeit wenigstens einmal eine Zellgröße von mindestens 50 km² erreichen. Damit soll ausgeschlossen werden, dass Reflexionen des Radarstrahls an Bergspitzen oder auch sogenannte nichtmeteorologische Radarechos die Auswertung beeinflussen. Nachteil ist, dass dadurch kleinere, kurzlebige Zellen, wie solche, die sich typischerweise direkt über Berggipfeln bilden, aus der Studie ausgeschlossen werden. Des Weiteren erfährt das Radarsignal mit der Entfernung zur Station eine Abschwächung aufgrund der geometrischen Aufweitung des Radarstrahls und durch die Dämpfung, die das Signal erfährt wenn der Strahl ein Niederschlagsgebiet durchquert. Das bewirkt, dass Messsignale in der Nähe der Radarstationen stärker sind und deshalb dort auch vermehrt Radarzellen detektiert werden. Blitzmessungen sind nicht von Radarstandorten beeinflusst und mildern daher diesen verfälschenden Effekt. Daher wurden auch nur jene konvektiven Zellen betrachtet, die sowohl in den Radardaten als auch in den Blitzdaten erkannt wurden, d.h. echte Gewitter. Die Kompromisse wurden zu Gunsten einer möglichst vergleichbaren Beobachtungsqualität eingegangen. Zusätzlich zu diesen Auswahlkriterien weisen die untersuchten Zellen auch eine Niederschlagsintensität von mindestens 9 mm/h auf. Diese ist als Teil der automatisierten Zellerkennung vorgegeben, um konvektive Zellen schon in einem frühen Stadium durch ihren intensiveren Niederschlag zu erkennen.

 

Ein Komposit aus Komposits

Die Beobachtungsgebiete der drei Radarnetzwerke überlappen sich, was die Berechnung eines eigenen Komposits notwendig macht. Die unterschiedlichen Radarnetzwerke sind zeitlich nicht synchronisiert und unterscheiden sich auch in der Datenprozessierung, dem Niederschlagsprodukt und der Datenauflösung. Aus diesem Grund wurde bei den Zellanalysen angesetzt, um ein „Komposit der Komposits" zu generieren, das die Information aus mehreren Radarnetzwerken auf eine Karte bringt. Das Verfahren eliminiert die örtliche Überlappung, indem an jedem Ort die bestgeeignete Radardatenquelle verwendet wird. Das große Komposit wurde demnach erstellt, indem an jedem Ort aus den drei Konvektionsdatenbanken (für die Radardomainen Österreich, Macaion und Veneto) jeweils jenes Set genommen wurden, das dort die meisten Zellentstehungen registriert hat [4]. Dieser Ansatz beruht auf der Annahme, dass das Radar mit der besten Sicht auch die meisten konvektiven Zellen beobachtet. Die so definierte Zellauswahl gilt für alle hier gezeigten Studien.

 

[4] Als solche repräsentiert die kombinierte Zellentstehungskarte die maximale Anzahl an neu entstandenen Zellen innerhalb einer 10 km x 10 km Gitterbox, die innerhalb der drei Datensets gefunden wurde.

 

 

 

 

Literatur:

Charles A. Doswell III, 2001: Severe Convective Storms—An Overview. Meteorological Monographs, 28, 1–26. doi: http://dx.doi.org/10.1175/0065-9401-28.50.1

Davini, P., R. Bechini, R. Cremonini, and C. Cassardo, 2012. Radar-based analysis of convective storms over northwestern Italy. Atmosphere, 3, 33–58.

Fabry, F., Cazenave, Q., Basivi, R., 2013. Echo climatology, impact of cities, and initial convection studies: new horizons opened using 17 years of Conterminous US radar composites. AMS 36th Conference on Radar Meteorology, Breckenridge, CO.

Goudenhoofdt, E., Delobbe, L., 2013. Statistical characteristics of convective storms in Belgium derived from volumetric weather radar observations. J. Appl. Meteorol. Climatol. 52, 918–934

Kaltenboeck, R., Steinheimer, M, 2014. Radar-based severe storm climatology for Austrian complex orography related to vertical wind shear and atmospheric instability. Atmos. Res., doi:10.1016/j.atmosres.2014.08.006.

Meyer, V., Schaffhauser, A., 2012. Systematic investigations of intense convective precipitation events in Austria based on radar cell tracking. 7th Europ. Conference on Radar in Meteorology and Hydrology, Toulouse, France.

Meyer V., H. Höller, and H.-D. Betz, 2013, Automated thunderstorm tracking: utilization of three-dimensional lightning and radar data, Atmos. Chem. Phys., 13, 5137-5150, doi:10.5194/acp-13-5137-2013.

Nisi, L., Martius, O., Hering, A., Germann, U., 2013. Hail storms over Switzerland: spatial and temporal characteristics derived from radar-based hail products. 7th European Conference on Severe Storms, Helsinki, Finland.

Puskeiler, M., Kunz, M., Schmidberger, M., 2013. Modelling of the hail hazard in Germany. 7th European Conference on Severe Storms, Helsinki, Finland.

Rudolph, J., Friedrich, K., 2013. Seasonality of vertical structure in radar-observed precipitation over southern Switzerland. J. Hydrometeorol. 14, 318–330.

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